das geilste

5. September 2023
  • fanny pack vibriert
  • wenn du mir jetzt schreibst
  • um die hüfte geschnallt
  • lässt die vibration, die du auslöst
  • mein fudi, in kleinen wellen wabbeln
  • ich tu so, als würd’ ich nicht merken
  • dass du an mich denkst
  • dabei spür’ ich den wellen bis zum ende nach
  • du schickst mir fotos, von wo du bist
  • und das geilste ist
  • dass ich echt lange so tun kann
  • als würde es mich nicht interessieren
wurde 2000 geboren und lebt seit immer in Basel. They badet in popkulturellen Strömungen, bewegt sich im Theater zwischen Bühne, Publikumssaal und Assistenzstellen. Ab dem kommenden Semester studiert they Literarisches Schreiben am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel.
Dieses Gedicht wurde von Das Narr kuratiert.

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das geilste?

Es mag nicht für den Reichtum meines Geistes sprechen, aber hingezogen zu diesem Gedicht hat mich das in kleinen Wellen wabbelnde «fudi» des lyrischen Ichs. Einfach, weil ich das lustig fand und weil das Wort aus einem unpassenden Sprachregister kommt, verglichen mit dem restlichen Gedicht. Ganz bewusst löst sich damit ein Moment der Irritation aus. Dieser Irritationsmoment ist für das Gedicht zentral, weil damit der imaginierte Austausch zwischen lyrischem Ich und der Textnachrichtenschreiber:in ausgelöst wird. Metaphorisch wird durch das wabbelnde Hinterteil die Kommunikation der beiden in den eigenen Körper überführt. Die Nachrichten manifestieren sich physisch (Vibrationswellen) und stossen die vermeintliche Reflexion an. Dabei bleibt unklar, ob die Erzählinstanz zuverlässig ist, weil sie einerseits um den Inhalt der Nachrichten weiss, obwohl sie sie andererseits erfolgreich ignoriert; aber in der durchexerzierten Verknüpfung von Gleichgültigkeit und Wahrheit scheint die unbestimmte Erzählart ganz passend.

das geilste ist ein schlichtes Gedicht, das nicht mehr vorgibt zu sein, als es ist. Es beschreibt einen Austausch zwischen zwei Menschen und den wohltuenden Aspekten, die damit verbunden sind. Gleichzeitig stellt es die Frage des Etikettenschwindels: Geht es hier wirklich um das Geilste? Was genau wäre denn das Geilste? Die Fähigkeit der Erzählinstanz, die Nachrichten des Gegenübers möglichst lange zu ignorieren? Oder dann doch die Überführung des Austausches ins Physische? Die Form der Beziehung – und deren Gesünde – lässt sich nicht aus dem Gedicht erschliessen. Es bleibt daher offen, ob dieses Gedicht wirklich schlicht, oder nur nicht bereit ist, sofort mehr zu offenbaren. Zumindest eines lässt sich aber festhalten, das wabbelnde Fudi ist zwar Ausgangsmoment, das Gedicht erschöpft sich jedoch nicht darin, denn die Antwort auf die eigene Erschöpfung, die bleibt es uns schuldig.

Nick Lüthi

Schreibt und spricht über Bücher aus unabhängigen Verlagen für diverse Medien. Veröffentlichung von Gedichten in diversen Literaturzeitschriften.

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