Mont Faron

Irène Bourquin
28. März 2023
  • Am felsigen Steilhang
  • Serpentinen knapp
  • so breit wie das Auto
  • Ausweichbuchten
  • für Gegenverkehr
  • keine – käme einer
  • no risk no fun
  • Schwindelblick
  • auf das Meer
  • die Stadt
  • Toulon den Hafen
  • Kriegsschiffe
  • im Abendlicht

  • Ganz oben wird klar
  • die Strasse ist Einbahn
  • führt rund um den Berg
  • und gewunden zurück

  • Restaurant fermé
  • davor in seinem Gehege
  • kreist ein schwarzer Panther
geb. 1950 in Zürich, lebt in Elsau. Studium der Geschichte und Germanistik, Promotion 1976. 1977–1998 Kulturredakteurin, heute Co-Verlagsleiterin und Lektorin. Schreibt Lyrik, Prosa, Theaterstücke, Hörspiele. Buchpublikationen in diversen Verlagen seit 1986; Beiträge in vielen Anthologien und in Literaturzeitschriften. Im April 2023 erscheint der Lyrikband «Schattenkaleidoskop» (Caracol).

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schlachtschmaus – ein Gedicht

Elis Lira
24. März 2023
  • blumenbrot, blumenbrot
  • holla der rosentod
  • hasennot hosen rot
  • wegen dem vielen blut

  • kohlhaut, kohlhaut
  • wo bleibst du helmut
  • zweitopf zerteilter kadaver
  • wegen der vielen schlachterei

  • hauptschmaus, leichengraus
  • das haus voll abfällen wegen der ganzen
  • putzerei wegen der ganzen
  • sauerei
  • wir essen jetzt sagt da die gisela
lebt und arbeitet in Lissabon.

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Küchenmusik

Nelly Staneva
21. März 2023
  • Gegen Hunger und stille Gewohnheiten,
  • frische Eier von glücklichen Kühen
  • mit Speck und die nebligen Hügel
  • der Glocke führen zu Heldentaten:
  • deux heures schlafen, dann direkt
  • zum Weißwein. Bereit
  • auch die Stille zu küssen,
  • aber sie versteckt sich in einem Laib Brot,
  • klappert mit einem unbekannten Dialekt.
  • Das ist es, denkst du, ein Fest wird es sein.
  • Die Assonanz ist perfekt,
  • deine Stimmbänder schwellen rasch an,
  • das Jodeln der Pfannen, ja, ja,
  • ein Ton râpe à fromage, die Freiheit
  • verstopft dir endlich den Mund.

Глад за музика

  • Противно на всякакви навици,
  • яйцата на пресните крави
  • с бекон и мъгливият склон
  • на камбаната водят до подвизи:
  • сън deux heures, а после направо
  • към бялото вино. Готов
  • да нацелуваш и тишината,
  • но тя яхва самун селски хляб
  • и дрънчи с непознат диалект.
  • Някакъв празник ще да е.
  • Какъв съвършен асонанс,
  • набъбват ти гласните струни,
  • айларап от тигани, да, дада,
  • щипка râpe à fromage и
  • свободата запушва устати ти.

Die Übersetzung aus dem Bulgarischen stammt von der Autorin.

Geb. 1983 in Bulgarien, lebt seit 2010 in der Schweiz. Schreibt Lyrik, Kurzgeschichten, Essays, Kritik. Aktuell auf dem Tisch - der erste Roman und ein zweiter Lyrikband. Zwei Bücher sind bisher auf Bulgarisch erschienen.

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Am Ende einer groszen Verwirrung

Hendrik Otremba
17. März 2023
  • Dich gibt es nur einmal, auf diesem Planeten
  • Du bist einer von hundert Menschen die noch leben
  • Du bist tausend Jahre alt, kannst gerade mal aufrecht gehen
  • Die Menschen essen Menschenfleisch, nur du bleibst draußen stehen
  • Wir tragen schwarzes Leder, wir tragen fremde Haut
  • Wir gehen nicht mehr schlafen, dafür ist es zu laut
  • Die Menschen spielen Spiele, ich bin immer allein
  • Nachts hol ich die Schätze rauf, viel mehr kann ich nicht sein
  • Wir gehen niemals baden, es gibt kein Wasser mehr
  • Die Rohre singen leise, sie sind für immer leer
  • Ich glaube ich kann nicht sterben, ich bin schon immer da
  • Ich hab alles gesehen, was mit den Menschen war
  • Sie kannten schon ihr Ende, sie haben es gewusst
  • Ich habe sie beobachtet, ich kann nicht nur, ich muss
  • Mein Anfang ist mein Glaube, mein Ende wird er sein
  • Ich glaube nur an mich, ich lebe nur zum Schein
  • Was nützt auch die Erzählung, wenn keiner übrig ist?
  • Ich atme mich durchs Vakuum, ich werde nicht vermisst
  • Wir sind des Rätsels Zeugen, wir könn’ es nicht verstehen
  • Wenn wir mal etwas spüren, dann dass wir untergehen
  • Ich träum von deinem Körper, mein Traum lässt mich nicht rein
  • Der letzte Mensch der Erde, werd ich für immer sein
  • Ich schreib mir von der Seele, was ich nicht wissen kann
  • Ich schreibe mich lebendig, bin Gottes letzter Mann
  • Was wollt ihr von mir hören, ich wahre bloß den Schein
  • Das Paradies wird untergehen, es wird die Hölle sein
  • Auch tausend letzte Worte ändern nichts daran
  • Zeigen mir nur wieder mal, dass ich nichts ändern kann
  • Dann seh ich jemand andern, ein Mensch, der mich erfüllt
  • Ich mach ihm schöne Augen, es ist mein Spiegelbild
  • Warum bin ich so einsam, ich halt es nicht mehr aus
  • Mit Händen nass von Tränen, grab’ ich die Toten aus
  • Ich hab jetzt keine Angst mehr, und spür auch keine Wut
  • Ich hege wieder Hoffnung, der Tod, er steht uns gut
  • Vergiss was ich erzählte, es war nicht so gemeint
  • Wir fangen nochmal von vorne an, wir sind wieder vereint
  • Ein Fenster fliegt zum Fenster raus, ich kann es nicht mehr sehen
  • Was ich nicht sagen kann, brauch ich auch nicht verstehen

  • Im Staub tanzen die Toten aus einer anderen Zeit
  • Ich schaue ihnen zu, ich bin für dich bereit
  • Unter der toten Sonne, betten wir uns auf Lehm
  • Wir schlafen mit der Erde

  • Sie kann nicht untergehen
geb. 1984 in Recklinghausen, lebt in Berlin. Schriftsteller, bildender Künstler und Sänger der Gruppe Messer, Dozent für kreatives Schreiben. Zuletzt «Benito» (2022, Märzverlag). Im März erscheint der Gedichtband «Wüstungen, Nebel» (2023, Märzverlag) und das erste Soloalbum «Riskantes Manöver».

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streulichter

Monika Vasik
14. März 2023
  • aus mythischen gefilden der erinnerung
  • gaukeln reflexionen empor ändern namen
  • die luft wird zum seelenarchiv feinkörniger
  • partikel die lang sam l a n g s a m zu boden
  • sinken in serien von augenblicken wie einer
  • ankommt sich hinsetzt wie einer atmet
  • die schrammen in seinem gesicht wiegt
  • wie er redet dabei die konsonanten und
  • vokale artikuliert wie er gestikuliert wie
  • den arm beugt das geweih seiner hände
  • knacken lässt wie er den kopf hebt wie
  • sich in wiederholungen regt wie stark
  • einer dir die hand drückt wie er leicht
  • aufsteht wie seine schatten wirft welche
  • regungen er hinterlässt beim gehen
geb. 1960 in Wien, Ärztin, Lyrikerin, Buchrezensentin, Moderatorin; Lise-Meitner-Literaturpreis 2003, Publikumspreis beim Feldkircher Lyrikpreis 2020. Mehrere Lyrikbände. Zuletzt «hochgestimmt» (2019, Elif) und «Knochenblüten» (2022, Elif).

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ELEGIE IX

Christian Rechsteiner
10. März 2023
  • “Was frag ich nach der welt! sie wird in flammen stehn:”
  • Andreas Gryphius

I

  • wir haben keine dogmen
  • kein manifesto keine emotion
  • keinen tractatus keinen tod
  • keine wunder keine vision
  • keinen morgen keine namen
  • keine mythen keine riten
  • wir haben keine dogmen mehr
  • nur leeres stroh und
  • akkumulatoren
  • seltene erden und
  • geschlechtskrankheiten
  • wir haben keine dogmen mehr

  • unsere hände sind taub und leer
  • wir sind frei und
  • gefangen
  • in der weißen
  • weißen
  • wolke

  • wir
  • das volk
  • wir sind das volk
  • das volk
  • das volk volk volk

  • wir sind geliehener
  • staub im exil

II

  • lies w.g. sebald
  • und mach liegestütze
  • wie ein hund
  • im wohnzimmer
  • he spies with slow hands
  • he spies with lizard eyes
  • mach dir keine sorgen deine
  • nekrotischen knochen
  • werden heilen bis in den späten
  • bis in den sommer folge nur
  • dem denken bis zu den
  • hirngrauen tagen

  • niemand kommt mehr hinter die dinge

  • materie und widerspruch
  • gryphius lesen und krieg den palästen
  • zwischen schein und wesen
  • die tyrannei der unsterblichkeit

  • o sybilla sybilla
  • wir beschwören doch nichts wir
  • rufen doch nichts an wir glauben
  • an die sterne und an elon musk

  • ich –
  • dieses überlebensgroße
  • modell o o o o
  • o melancholische nacht
  • wir nahmen schon kerosin
  • we can change our shape
  • into anything

III

  • von der mittagshelle überrascht
  • von den flimmerhaaren in den schlaf
  • gebracht den tod endlich verstehn:
  • warum immer so hysterisch?

  • es wird wohl wege geben von hier nach dort
  • was war und was hätte sein können ich bin hier
  • und nirgendwo anders weder in der zukunft
  • noch an einem anderen ort ich bin hier weder
  • in der vergangenheit noch in dem was gewesen
  • sein wird oder in einer anderen zeit ich bin hier
  • es wird wohl wege geben von hier nach dort
  • und ich bin an jedem andern ort ich bin hier
  • und an jedem andern ort in jeder andern zeit
  • in dem was hätte sein können und in dem
  • was war ich bin an jedem ort in jeder zeile
  • in jedem morgen in jedem wort in jedem tod
  • es wird wohl wege geben von hier nach dort

  • wir haben das alles gehört
  • aber wir sind bankrott

  • morgen abend sind wir verloren
  • es ist die wahrheit

  • wir brauchen einen boykott
  • von rüstungswaffen
  • von streitkräften
  • von schlachtfeldern
  • von meerloser zukunft
  • von lichtmangel natürlich
  • und von gott
geb. 1976 in Münsterlingen, lebt und schreibt in Kreuzlingen, CH.

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Flügelwäschetrockner

Oana Popa
7. März 2023
  • Jesus blickt von der Wand aus mindestens 14 Augen herab.
  • Ich sollte beichten, mit Brot im Munde und Wein im Geiste,
  • dass ich mich unzählige Nächte zwischen den Beinen anfasste.
  • Ich brauche Tabak, Maria Voicu rät mir vom Rauchen ab,
  • das ist eine Männersache.
  • Maria Voicu sagt, ich sollte heiraten, dann müsste ich nicht zum Südbahnhof joggen
  • und allein Kaffee kochen am Morgen.
  • Ich könnte Wäsche waschen, aufhängen (auf dem Flügelwäschetrockner), abnehmen, bügeln, falten, versorgen,
  • so wie es gute Frauen eben tun.

  • Aus dem Zimmer nebenan ertönt das antike Schnarchen von Maria Voicu,
  • es ist zwei Uhr morgens,
  • im tiefsten Schlaf fantasiert sie von Petre Voicu,
  • im luzidesten Zustand bügelt sie Wäsche für sein Phantom.
  • Hundertjährige Porzellantassen ruhen auf den Holzregalen,
  • das Dienstmädchen vorbereitete einst Kakaomilch darin und schwieg,
  • so wies gute Frauen eben taten.

  • Viele Ferientage verbrachte ich wie ein katholischer Priester unter dem Dach von Maria und Petre Voicu,
  • zwischen meinen Oberschenkel erwachte Sexus,
  • doch keiner konnte sich daran vergnügen, denn Maria Voicu verbietet mir nach 24Uhr auf den Strassen zu gehen.
  • Ich sei schon über zwanzig, ich sollte mir ein weisses Kleid kaufen.
  • Maria Voicu sagt: Sei einfach nett zu den Jungs und nicht zu wählerisch!

  • In der Wohnung von Maria Voicu gibt es auch andere Geister.
  • Elisa und Marcela, Verliebte aus 1920, Besucherinnen meiner Träume von Netflix:
  • ihre Berührungen elektrisierend, orgasmuswürdig, 15 Sekunden zurückspulen immer wieder immer wieder bis…
  • Leerer Flügelwäschetrockner.
geb. 1998, rumänische Künstlerin, lebt und arbeitet in Zürich. Studiert Fine Arts an der Zürcher Hochschule der Künste, arbeitet nebenbei mit Betagten und mit Kindern.

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Nacktes Leben

Dragica Rajčić Holzner
28. Februar 2023

[für vier Stimmen]

  • Wer kann wen retten
  • ohne sich zu opfern?

1.

Ana

  • nur die Wörter wechsle ich wie
  • Unterwäsche
  • sie lagen lang unter den Rippen
  • erfroren
  • mickrig
  • es war nicht so dass ich sie nicht wollte
  • ich kannte sie nicht
  • rechtzeitig am richtigen Ort
  • frei zu sprechen
  • jetzt sagen sie
  • schaut das ist die
  • und sehen nicht wie
  • ich das erste Mal
  • mein eigenes Kind Wort
  • Wäsche
  • wasche

2.

  • Eurydike
  • unausweichlicher Stolperkörper
  • vergeben
  • vergiftet
  • versunken im Hades
  • mit seiner Stimme
  • der Hoffnung aufgewacht
  • endgültig verloren zurück
  • gesandt in die doppelte Dunkelheit
  • aber ich sage es euch
  • wir trafen uns im Spanischen Bürgerkrieg
  • vor dem Tag als ich die Hand verbrannte
  • sie sprach mit meiner Stimme
  • sie war sehr schön
  • skulpturiert
  • Meine Mutter
  • Mein Vater
  • Liessen mich nicht
  • auf dem Schlachtfeld
  • Freiheit suchen

3.

  • Ich komme
  • aus leeren Orten
  • in welchen
  • ich
  • ahne
  • Glanz
  • oder
  • Anwesenheit
  • mehr oder weniger
  • Handvoll
  • (ja Handvoll)
  • Hoffnung
  • (eingebildete - ich weiss)
  • erblinde fast von
  • Sehnsucht
  • bei dir zu sein
  • ein Augenblick
  • Repariere verletzte Hand
  • wie tief gepflügtes Feld
  • belasse
  • Samen
  • soll mich verbinden,
  • es wird gesagt
  • es ist kein
  • Böses nur für Böse da

  • nije svako zlo za zlo

Gesamten Text lesen

geb. 1959 in Split. Schreibt zunächst in ihrer Muttersprache Kroatisch, beginnt 1978 auf Deutsch zu schreiben. Lebt in Zürich und Innsbruck und arbeitet in der soziokulturellen Animation und als Schriftstellerin. Zuletzt «Liebe um Liebe» (Matthes & Seitz, 2020), «Glück» (Der Gesunde Menschenversand, 2019).

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Linn Meier (†2019)

Martina Hefter
24. Februar 2023
  • Wenn die Wolken schwerer sind als du
  • die Nischen dazwischen riesig
  • Wenn nichts rauskommt aus dir
  • Getreidefelder legen sich quer in dein Zimmer
  • wenn die Tage fett und faul wie Brote sind
  • Füllig und flächig wie Mond
  • mondgesichtig wie dein schlimmstes Wesen im Traum
  • Wesensverändernd wie dein Essen
  • weswegen dus nicht isst
  • weswegen du nicht das Gewicht vom Mond bist
  • Nur einer von den Schatten
  • wenn du dort landen willst

  • Wenn die Erde gar nicht so groß ist
  • wenn die Alpen gar nicht so hoch sind
  • wenn du alles kannst
  • die Sicht reicht nicht weit
  • aber du denkst sie reicht weit
  • großer Wagen, kleiner Wagen
  • locker kommst du an alles ran

Der abgedruckte Text ist ein Auszug aus Linn Meier (†2019). Der Text wurde von Martina Hefter gemeinsam mit den Musikern Timm Völker und Patrice Lipeb als Musik-Performance umgesetzt und kam in mehreren deutschen Städten zur Aufführung.

geb. 1965, Pfronten/Allgäu, ist Dichterin, Tänzerin und Performance-Künstlerin. Sie studierte zeitgenössischen Tanz in Berlin und literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig, lebt in Leipzig. Zuletzt «In die Wälder gehen, Holz für ein Bett klauen» (kookbooks, 2021)

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tag : re : miniszenz mich mal

Elisabeth Wandeler-Deck
21. Februar 2023
  • freitag, 12.11.2022
  • woche 6
  • do /blütensturm grab um grab grüsste freundlich
  • fr /idiosynkarasien arabisch französisch unverhofft nice weather today wie fallender brunnen hof um einige leuchten heftigster vollmond über tage kam ihr vor eine mondsucht und eine war da versammelten sich einige auf stadtdächern und sangen ihn an sahen fallende schatten einander als ein heulendes da
  • sa /kleinster felder um teppichschulterritorien hotelzonen
  • so /weg entwunden dem segelgewirk material
  • mo /behält es sein kräftig leuchtendes blau
  • di /anders anderes zu den farben zurück färben die wasser eingefaltet das ah so schön schon gar wieder dépaysé in rückwärtige mündlein geht münden geht munden ach du schlierenfreude mondschlieren von wundern zu munden brackwasser quellwasser flusswasser seewasser das programm geändert teilhabe aufgekündigt weiter weiter bastardin
  • mi /vergessenheit klarer gedankenlosigkeit heller gegenwärtigkeit rufe die antwort kein da und aus welchem bild heraus muss fortgesetzt werden alleweil alle weilen sie ich hin er und dazu die beiden grossen zehen leicht bewegen

  • PREISSOCKEL
  • SOCKELHÜLSE
geb. 1939 in Zürich, Architektin und Soziologin. Zahlreiche Buchveröffentlichungen sowie Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und im Netz. Bildtextarbeiten. Szenische Arbeiten. Mitglied des Improvisationsquartetts bunte hörschlaufen. Zuletzt «versionenlust ECHO» (2022, Edition Howeg) und «Antigone Blässhuhn Alphabet so nebenher» (2022, Ritter).

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Aus: NEUROTIKON

Alexander Estis
17. Februar 2023
  • Ich habe einen musealen Saal, ein Kabinett der Gedanken, mit Vitrinen, worin meine Sammlung in minutiös sortierter Ordnung aufbewahrt und zur neugierigen Betrachtung aufbereitet ist. Die Exponate sind wie Schuppen hauchfeiner Schichten des Glimmers, durchsichtig, ephemer, schwerelos. Nur mit speziellen Pinzetten sind sie zu greifen, denn jede Berührung kann sie zerfallen lassen, jedes Ansetzen zu einer Berührung.
1986 in einer jüdischen Familie in Moskau geboren, lebt als freier Autor und Kolumnist in Aarau. Zuletzt «Fluchten» (2022, editon mosaik).

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Walpurgis

Svenja Herrmann
14. Februar 2023
  • Ich packe alten Groll, das Gezündel
  • entfache ein kräftiges Feuer
  • tanze um die Stelle
  • stampfe die lehmige Erde fest
  • renne und rufe
  • renne und rufe in die Nacht
  • Geister herbei!
  • Hexen, Katzen, Ziegen
  • die Erde fest
  • Besen, Krallen, Hörner
  • meine Worte
  • Stichflammen im Nachthimmel
  • bis in den Morgen folge ich ihnen
  • und ist dieses Feuer erloschen
  • steigt Rauch auf
  • und sendet Signale
geb. 1973, schreibt Lyrik, Kinderbücher und ist Co-Herausgeberin von zwei Anthologien zu den Menschenrechten. Sie lebt und arbeitet als Begabungsförderin und Lerntherapeutin in Zürich (Schreibstrom). Zuletzt «Die Ankunft der Bäume» (2018, Wolfbach) und «Wolfskinder» (2020, Nordsüd).

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Gedicht nach dem Abendbrot

Melanie Katz
10. Februar 2023
  • Die Königin weinte
  • Subtexte von Glück
  • dem Sperlingsvogel (v)iel
  • eine Perle vom Kleid
  • die Königin lachte
  • ein schwarzgelber Käfer läuft quer hier durchs Bild
  • Müdigkeit verwischt meine Schrift
Dr. phil. Melanie Katz studierte Sozialpsychologie und Deutsche Literaturwissenschaften und promovierte zu Geschlecht als Kategorie des Wissens an der Universität Basel. Sie lebt in Zürich, forscht zu Wissen um Pflanzen und arbeitet als Autorin und Performerin. Sie leitet das Einsame Begräbnis in der Deutschschweiz.

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wegen dir

Juliane Blech
7. Februar 2023
  • wegen dir
  • ich bin dein strandtier
  • land dir eine welle
  • helle möwe seelöwin
  • bin flügel flossen träne
  • fernweh in der mähne
  • sehnsucht ohne ort nur
  • ferner als fort bin tand
  • im sand hier samttier
  • hand dir voll herz
  • bis zum rand stand
  • steh‘ hier wegen dir
geb. 1975 in Halle/Saale, lebt freischaffend tätig als Dichterin/Dramatikerin/Künstlerin in Halle, schreibt Lyrik, Prosa, Theaterstücke, Lieder für Kinder und Erwachsene, fertigt Überraschungstütengedichte, leitet Werkstätten und lacht, denn sie macht noch viel mehr. Zuletzt «So Viel. Wortkonfekt und Verskonfetti» (2017, Razamba).

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Wintermorgen, diaphan

Ingrid Fichtner
3. Februar 2023
  • die Bäume stehen leer …
  • als feinster Dunst hängt Nebel
  • in der Luft; und die Sonne milchigweiß,
  • bleich wie der Mond am Himmel.
  • Ist dem Moment zu trauen? Ungeschützte
  • Augen können in die Sonne schauen!
  • Die Kamera gezückt, gezoomt.
  • Das Bild – beinah schwarzweiss – hält
  • klar erkennbar zwei Sonnenflecken fest,
  • zwei Magnetfelder sich dunkel von der
  • Sonnenkugel abhebend. Der durchsichtige
  • Dunst ist der perfekte Filter; mein Ich löst
  • sich in Selbstvergessenheit
geb. 1954 in Judenburg, Österreich, lebt in Zürich. Regelmässig Veröffentlichungen von Gedichten in Anthologien, acht Einzelpublikationen. Regelmässig Zusammenarbeiten mit Musikern, zuletzt mit Burkhard Kinzler «Hinter den Dingen»: Komplementa zum Requiem KV 626 von Wolfgang Amadeus Mozart (2021, mit Aufführungen 2022). Zuletzt «So gegenüber» (2018, Wolfbach).

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Folgende Bedeutung

Clemens Umbricht
31. Januar 2023
  • Sein Lieblingswort ist das Gegenteil,
  • das sich im richtigen Augenblick in Luft auflöst.
  • Metaphysik, ruft er, ist die falsche Richtung –
  • oder waren die Möglichkeiten, die ein Ich ergeben,
  • schon immer diese ausgestopften Singvögel?
  • Um herauszufinden, was die Gedanken
  • miteinander verbindet, trägt er ein paar Hüte zuviel.
  • Wenn er auf der Suche nach nichts ist,
  • erwartet er einen angemessenen Finderlohn.
  • Vom Etwas, ruft er, habe ich die Ahnung
  • des Kochs von der Zwiebel der Vorstellung.
  • Zugegeben, wer dem aktuellen Fragenkatalog folgt,
  • tut das mit von Luft verbundenen Augen.
  • Bis zur Schwerelosigkeit des Konjunktivs
  • zähle ich in die Wochenmitte zurück.
  • Sprich mit mir, solange die Landschaft
  • als spontane Erscheinung vorbeizieht.
  • Nein, ich bin nicht die Zusammenfassung,
  • für Einzelheiten haben wir Gedichte.
  • Ich sammle nur Aufmerksamkeiten.
  • Wäre ich eine Sekunde, so gäbe es mich
  • von Anfang an als Kollektion.
geb. 1960 in Reiden Luzern, wohnt in Andwil St.Gallen und arbeitet als Verlagsleiter in Teufen Appenzell Ausserrhoden. Seit 1980 Publikation mehrerer Gedichtbände. Zuletzt «Das Alphabet des Archaeopteryx» (2022, Caracol).

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der rauch

Michael Georg Bregel
24. Januar 2023
  • der rauch
  • von dem du hoffst
  • dass er aufsteigt
  • gesehen wird
  • wie er in
  • schieferschwaden
  • am nachthimmel
  • den neumond
  • erstickt
  • hängt in der
  • kleidung der
  • lunge brennt
  • in den augen
  • und doch
  • nimmst du
  • noch einmal
  • den feuchten zunder
  • die stöckchen
  • und reibst
  • dich an der
  • möglichkeit
geb. 1971, lebt in Berlin, ist gelernter Rundfunkjournalist, war Tageszeitungsredakteur, ist Diplom-Politologe und seit 2005 freiberuflich als Autor, Übersetzer, Redakteur und bildender Künstler tätig. Neben Herausgaben und zahlreichen Beiträgen in Anthologien und Zeitschriften erschienen von ihm als Einzelveröffentlichungen eine Erzählung, eine Graphic Novel und drei Lyrikbände.

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min o taf re

Diana Mathioudakis
20. Januar 2023
  • du stiergestalt
  • entsprungen wilder laune jener frau

  • es fragen alte mären

  • der vielgeborne zefs
  • mäht all/es

  • brach der willenshuf

  • glatt bleibt dein kopf
  • glanz stets dein hals
geb. 1967 in Stuttgart, Kind einer Schwäbin und eines Kreters. Ärztin, lebt zwischen der Schweiz und Deutschland.

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quellfragen

Benedikt Steiner
17. Januar 2023
  • wie nun der strahl
  • sich staut
  • & zittert
  • vor lauter sehen
  • die augen weit

  • bis ins nachtgebirge
  • vorgedrungen, dort
  • not
  • geschöpft aus zisternen

  • unter dem flussbett
  • längst silberstrom

  • wie nun der strahl
  • die kelle höhlt
  • der rute folgend
  • wünsche am laufmeter
  • verwunschen überwindet

  • der flut gerecht
  • der ebbe gleich
  • geworden
  • dringliche lust der stelle
  • gefunden im bleib

  • das rot rot
  • rot das tal
  • umschließend, stetes
  • gefälle
  • im taumel
  • um sich greift
geb. 1990 in Basel, lebt als Dichter und bildender Künstler in Wien. Hat experimentelles Entwerfen in Luzern und Sprachkunst in Wien studiert. Schreibt Lyrik, macht Bücher und Bilder, initiiert Workshops und Performances. Anfang 23 erscheint sein Lyrik-Debüt «spuren in einem» (TEXT/RAHMEN, Wien).

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