mirabellenlieder
- auf der ebene liegt flanell
- die erste sonne greift danach
-
fasane zerhacken die luft
- kindgewordener morgen
-
malt pastell ans vordach
- der leuchtturm fällt in tiefen schlaf
- versäumnisse verebben
- mirabellenlieder hallen nach
Magazin für kommentierte Lobhudelei Magazin für kommentierte Lobhudelei Magazin für kommentierte Lobhudelei
geizige kinder auf amphetamin & weitere bestandsaufnahmen
-
das klicken einer schabe die an die decke knallt
-
drohungen die mich eher zufällig erreichen
-
im hotel california ohne es zu wissen
- zu viel abendland verdächtig
-
zu viel telepathie
- verlege bleistift verliere wimpern
-
kenne den umfang meiner wohnung nicht
-
aber witterung
-
ein echo das nicht mehr zurückzuführen ist
-
versuch eine häutung in echtzeit zu protokollieren
-
im stundenzimmer für gespenster
-
oder dreihundertsechzehn arten wund zu sein
- treibgut das ich auflese
- als handgepäck
Die Zeile «zu viel abendland verdächtig» ist in leicht abgewandelter Form dem Gedicht Fußnote zu Rom von Günter Eich entnommen.
Magazin für Gedichtbedarf Magazin für Gedichtbedarf Magazin für Gedichtbedarf
die betäubung erfolgt durch insekten
- leben, die wie krokusse wachsen
- eine zierpflanze, andere safran
- manche nur zum scheinkrokus oder zeitlosengewächs
- sind sie ausdauerndes knollenkraut
- glatt der blattrand
- um den mittelnerv
- stehen die blüten einzeln
- oder zu vielen
- erwachen im frühjahr oder herbst
- gelb, weiss, hell-violett
- zwittrig, symmetrisch und dreizählig
- im boden ihr fruchtknoten
Magazin für kommentierte Lobhudelei Magazin für kommentierte Lobhudelei Magazin für kommentierte Lobhudelei
während das flachland explodiert
- während das flachland explodiert
- – räusper –
- stetiges rauschen, knirschen, gleissendes licht
- eis, matt von der sonne
- wind, der sanft um die häuser bricht
- fragt einer: hämmern wir nägel in die wand
-
ein anderer: where are the rough sides of reality here
- die zeit hängt schon lange nicht mehr, sage ich
- der hölzerne klappstuhl biegt sich gefährlich
- unter meinem gewicht
-
der winter stirbt einen würdelosen tod
- and what about the water
Magazin für Gedichtbedarf Magazin für Gedichtbedarf Magazin für Gedichtbedarf
das geilste
- fanny pack vibriert
- wenn du mir jetzt schreibst
- um die hüfte geschnallt
- lässt die vibration, die du auslöst
- mein fudi, in kleinen wellen wabbeln
- ich tu so, als würd’ ich nicht merken
- dass du an mich denkst
- dabei spür’ ich den wellen bis zum ende nach
- du schickst mir fotos, von wo du bist
- und das geilste ist
- dass ich echt lange so tun kann
- als würde es mich nicht interessieren
Magazin für kommentierte Lobhudelei Magazin für kommentierte Lobhudelei Magazin für kommentierte Lobhudelei
inseln der nacht
- inseln der nacht
- bewohnt deine zartheit.
- am morgen:
- der sprung ins wasser.
Magazin für Gedichtbedarf Magazin für Gedichtbedarf Magazin für Gedichtbedarf
Palästina. Drei Impressionen.
Die Dreisternestadt
- In weichen Sneakers treppauf
- Bis zur Höhe des Turms und höher
- Trepp trepp
- Zur Aussicht aufs Meer
- Hingewölbt in die Trümmer ein Bogen
-
Zum zikadenstillen Hof wo die Männer
- Das Brettspiel beiseite legten
- Als ich geboren wurde das Kleinvieh
- Zusammentrieben die Frauen
- Für mehrere Tage
- Brot buken zur Flucht vor den
-
Flüchtenden aus Europa
- Zitadellenhohes Wehweiss treppauf
- Ausgekernt und neu gemauert
- Galerientauglich souvenirfrisch halb
- Museum halb Friedhof
- Dreisternverwöhnt der Andromedafelsen
-
Unten von den Wellen umschäumt
- Der Strand mit seiner Nabelschnur aus Gischt
- Schwingt sich hinüber zur grossen Schwesterstadt
- Den Türmen von Banken und Konzernen
- Am Himmel die sinkende Sonne
- Gross wie eine Orange
-
Jaffa juce of health
- Geflohene Zeit hingewölbt
- Zu dem Schulhof wo ich
- Meine erste Frucht schälte
- Nahezu kernlos auf dem Seidenpapier
- Der Name der Dreisternestadt
-
Und süss die Tropfen an den Fingerbeeren
- In der Hand den Dreisterneführer
- Gehe ich dem Schatten nach
- Sneakers mit Selfiestopautomatik trepp
- Trepp mit Petrus die Christin Tabita
- Zum Leben erwecken im Haus von Simon
-
Dem Gerber (heute eine Moschee siehe Plan)
- Entginsterte Mauern wehweiss
- Trepp
- Süss die Lippen damals rot vom Saft
- Der in der Pause über sie rann
- Zur Zeit als die Bewohner
- Weitere Tipps unter Reisen und Geniessen.
Exkursion
- Folge den Strassen bis zur Schranke. Zum Lauf der Hand-
-
Feuerwaffen. Merke dir Kategorie, Kaliber, Kadenz.
- Zähle die Mauern, zähle die Zäune, zähle
-
Die Gräben, die Wälle. Ort, Datum, Jahr.
- Lege das Ohr auf die Erde. Frage das Gras, wann es Zeit ist
-
Für Rache. Wiederhole die Frage. Warte auf Antwort.
- Geh zu den Gräbern, mische dich unter die Toten. Lies
-
Wie sie wurden zu Stein: Geschlecht, Alter, Art des Todes.
- Schalte im Zimmer das Radio ein, lausche den Reden, den Schwüren
-
Beim Bart von. Anrede, Amt, Wohnsitz.
- Stopfe deine Pfeife mit Hingabe. Rauche. Klopfe sie aus
- In deine Hand. Zähle, was bleibt.
Justierung
- Die Schatten wissen nicht, zu was
- Sie gehören, das Dunkel hat den Besitz
- Neu verteilt. Du hörst deinen Atem
-
Nach dir rufen. Im Traum
- Gibst du ihm Antwort in Babylons Sprache
- Als ein Vogel. Die Dämmerung nimmt dir
- Die Federn vom Leib, legt auf die Schwelle
-
Einen Wind, einen Wunsch, ein Stück Helle
- Du stehst nackt an der Tür, zögerst
- Den Moment hinaus
- Wo Hose und Hemd dir sagen
- Wer du bist.
Auf nächsten Frühling ist ein neuer Lyrikband mit Impressionen aus Israel und Palästina geplant.
Magazin für kommentierte Lobhudelei Magazin für kommentierte Lobhudelei Magazin für kommentierte Lobhudelei
über den Rand segeln
- Mit der frühesten Verbindung
- segle ich über den Rand
- und schaue von unten
- wie es sich entwickelt
- das Wasser im Osten
- das Feuer im Nordwesten
- und die Gesetze für morgen
Magazin für Gedichtbedarf Magazin für Gedichtbedarf Magazin für Gedichtbedarf
ewig rauscht II
- küste, unbehauener saum zur sehnsucht
- über die gischt schiebe ich erinnerungen
- richtung horizont
- perlmuttern ist mir zumute
- wohin mit all dem treibgut, kopf
- im geröll die zeit knietief
- versunken bis der sturm
- meinen namen flüstert
- zwischen zwei sandkörner
- das letzte licht
- des tages
- fällt
Magazin für kommentierte Lobhudelei Magazin für kommentierte Lobhudelei Magazin für kommentierte Lobhudelei
Feuerfest
- Die Flammen brannten durch bis auf den Knochen.
- Arme, angekohlt in blütenweißen Binden:
- Wie die feingenarbten Rinden
- abgeschmückter Maibaumbirken.
- Pass bitte auf. Er sagt, sie sind gebrochen.
- Unter Mullkompressen schmort die Haut
- in marmorierten Schwarten, wie zerhackt.
- Der Wulst der Lippen hart verbacken.
- Wenn ich ihn drück‘, hör hin: Es knackt.
-
Der Harnstoff und die Glycerine wirken.
- Die Erdbeer-Bläschen — wie sie leise kochen
- wenn die letzten Zellmembrane knisternd platzen.
- Jucken steigt aus den Matratzen,
- denn ich soll im Liegen leiden.
- Mach kurz und schnell. Du hast es mir versprochen.
- Diese Hitze klebt und tropft nicht ab.
- Von Epidermis hebt sich heller Flaum
- aus frischgestärkten Festtagsspitzen.
- Geh ganz nah ran, man sieht ihn kaum.
-
Dabei bin ich der ält’re von uns beiden.
- Die wahren Schmerzen kommen erst nach Wochen.
- Wenn aus feingeblümten Kaffeenachmittagen
- plötzlich Dämmerschatten schlagen,
- dröhnend von den Wänden hallen.
- Ich hab es nicht geseh’n und nicht gerochen.
- Funken, ein Kanister Aceton,
- das Blaulicht zuckt. Es war die Ungeduld.
- Dann Trümmerschlaf der Opiate.
- Ich weiß doch, es ist meine Schuld.
- Geh weg, wenn bald die Schatten auf mich fallen.
Magazin für Gedichtbedarf Magazin für Gedichtbedarf Magazin für Gedichtbedarf
manchmal
- Mir fehlen die Worte
- manchmal
- wenn es mir die Sprache verschlägt
- dann rede ich fremde Sätze lauthals ins Leere
- damit sich die Tür wieder öffnet
- die mich abgewiesen hat
- und ich Gedanken finde
- die in mir eingeschlossen sind
- damit ich etwas sagen kann
- und es nicht mehr so weh tut
- weil Worte fehlen
- manchmal
- wenn die Sprache wegbleibt vor lauter Gerede
- und überhört wird, was unsagbar ist
- weil es einfach wortlos da ist
- manchmal
- wenn das Schweigen lauthals Antworten verspricht
- und das Versprechen es bricht
- weil es nicht versteht
- was es glauben will
- wenn Ideen ungefragt entstehen
- manchmal
- wenn der Stille die Stimme versagt
- sich schreiend festhält
- was nicht gefällt
- wenn der Kopf sich ahnungsvoll entspinnt
- und die Träume wortreich von Sinnen sind
- manchmal
- hat die Welt mich verschluckt
Magazin für kommentierte Lobhudelei Magazin für kommentierte Lobhudelei Magazin für kommentierte Lobhudelei
ohne warnschild
- es fällt mir schwer zu sagen
- dass ich zusah
-
wie deine sehnsucht starb
- man trifft sie
- an den wegbiegungen
-
eines anderen himmels
- in den stunden deiner zweifel
- werde ich für dich atmen
-
schrie ich
- doch meine stimme hallte
- durch eine unsichtbare zeit
Magazin für Gedichtbedarf Magazin für Gedichtbedarf Magazin für Gedichtbedarf
(ohne Titel)
- für Schwartz
Heute ist 1 Tag an dem ist der
Mund voller schwerer Sterne Sie
purzeln von der Lippe & kollidie-
ren vor der Brust Jetzt ist im Zim-
mer 1 Kugelsternhaufen & erst
nach sieben Milliarden Jahren
erreicht sein Licht dein Troglodyten-
auge
Magazin für kommentierte Lobhudelei Magazin für kommentierte Lobhudelei Magazin für kommentierte Lobhudelei
Die Linien
- Man sieht es genau; die Linien gehen spazieren
- auf dem weißausgelegten Feld, noch wird keine Richtung
- verraten, noch nicht sprüht es Farben, elegante,
- filigrane Gebilde, Pilger zu den Geheimstätten
- Tiefspuren hinterlassend. Ein Wink von der Seite,
- wie die aufgescheuchten Puppen beginnen sie zu laufen,
- kreuz und quer durch die leichtgewellte Ebene verbiegen
- sich, verflechten, verknäulen, ein Wirrwarr,
- man sieht es ungenau, da rechts vom Graziösen
- nur ein Rest und alles was sich bewegt, das Flache
- schweben lässt, wird vom Rand zurückgedrängt,
- an der Grobkante enden. Ob es wohl helfen würde,
- in die Breitrahmen zu springen? Sich dort zu vervollkommnen.
- Den Wildlauf könnte man verhindern,
- wenn man auf sie aufgepasst hätte.
- Es hieße dann: Wenn die Linien spazieren gehen.
Magazin für Gedichtbedarf Magazin für Gedichtbedarf Magazin für Gedichtbedarf
Frühling
- Fliegen torkeln herein
- durch’s offene Fenster.
- Wohnmobile werden geputzt.
- Motorräder zwitschern ihr Lied
- von Freiheit und Dreck.
- Die Mücken tragen ihren ersten
- Tanzwettbewerb aus.
- Und du sagst, du liebst mich nicht mehr.
Magazin für kommentierte Lobhudelei Magazin für kommentierte Lobhudelei Magazin für kommentierte Lobhudelei
angeschnitten
- ein filetierter nachmittag brutzelt
- auf den treppen zum fettarmen fluss
- weitreichende hände streifen die warmen
- flanken der luft unter durchgebratenen wolken
- bald kommt sie dort zum erliegen
- schon verzehren die herbste ihr
- heißes fleisch mit aufgeplusterten mündern
- seitdem ist die angst vor den menschen gering
- die aus lieferbaren zutaten bestehen
- wie zahnstocher bleiben sie zwischen
- adventszähnen stecken
- und hungern aus angereicherten augen
- wenn die füllung aus dem abend quillt
Magazin für Gedichtbedarf Magazin für Gedichtbedarf Magazin für Gedichtbedarf
Exkurs
- Man könnte
- es kaltes Feuer nennen
- unbestimmbare Substanz
-
zwischen Sonnenflechtzentrum
- Augenweiden und gewölbtem
-
Herzsegel
- eine vorgerückte Ahnung
- mindestens
- einen Meter über
-
dem atemlosen Boden
- Luftpartikel
-
ungeteilte Flächenraster
- Wortgestöber
- an den Flanken
- eine Zehn-Sekunden-Hierarchie
-
mit Fensterglas-Ikonen
- Lächelrabatt
-
und colorierten Phrasen
- Man könnte
- mit empfindlichen Maschinen
- Vorschlagswerte aufaddieren
-
Formeln nutzen
- die Zusammensetzung des Lichts
- an die eigene
- Vorstellungskraft anpassen
Magazin für kommentierte Lobhudelei Magazin für kommentierte Lobhudelei Magazin für kommentierte Lobhudelei
faden kreuz weise
- fest im Griff den Zwirn, so weit
- die linke Hand reicht und im Kopf
-
mein kleiner Minotaurus
- schnaubt mir nächtens ‘was von
- der Arena in den Hochetagen, Ruhm
-
und einem Berg aus purem Stolz
- am Tage packt er mich dann bei den
- Lippen, im ewigen Kampf des Menschen
-
gegen das Tier in seiner Mitte, stößt
- mit kompetent versilbten Lanzen auf
- dem Weg, der durchs Gelaber rinnt
-
durch Dünkelkammern voller Licht
- der Ausgang ist mir längst gewiss
Magazin für Gedichtbedarf Magazin für Gedichtbedarf Magazin für Gedichtbedarf
Wenn es einmal so weit kommt
- Im Frühjahr pilgern die Städter hinaus
- auf die Dörfer und Fluren, um den
-
heimkehrenden Schwalben zuzujubeln.
- Zu Sommerbeginn hängt man die Fenster aus,
- damit die Stubenfliegen über den Tischen
-
ungehindert die Zeit einwickeln können.
- Nach jedem Regen sperrt man die Straßen
- den Schnecken zuliebe, die sich auf den Weg
-
gemacht haben auf die andere Seite.
- An Herbsttagen versammelt man sich
- unter Bäumen, um den gefallenen Blättern
-
das letzte Geleit zu geben.
- Am Ende des Winters öffnet man
- die Kühlhäuser für die Rettung
-
der dahinschmelzenden Schneemänner.
- Wenn es einmal so weit kommt, wird es
- nicht mehr nötig sein, Verse zu schreiben -
- alles wird zu einem Gedicht.
Magazin für kommentierte Lobhudelei Magazin für kommentierte Lobhudelei Magazin für kommentierte Lobhudelei
bewegungen
- diese stille
- wenn ich im dämmern erwache
-
und mich erinnere
- an die heimkehrenden boote
-
auf der glänzenden stahlhaut des morgens
- das tuckern deiner haut
-
die präzise geometrie der vergänglichkeit
- du hast das mal gelesen
- irgendwo
- flochten wir unser lächeln aufs rad
-
die nächte blieben
- nicht die boote
- nur das mechanische rattern der güterwagen
-
die fremde geschichten erzählen
- kantige worte
- und das blut auf der zunge
-
schmeckt nach eisen
- wir waren angehalten
- am ende der bremsspur
- unserer lippen
Magazin für Gedichtbedarf Magazin für Gedichtbedarf Magazin für Gedichtbedarf