wegen dir

7. Februar 2023
  • wegen dir
  • ich bin dein strandtier
  • land dir eine welle
  • helle möwe seelöwin
  • bin flügel flossen träne
  • fernweh in der mähne
  • sehnsucht ohne ort nur
  • ferner als fort bin tand
  • im sand hier samttier
  • hand dir voll herz
  • bis zum rand stand
  • steh‘ hier wegen dir
geb. 1975 in Halle/Saale, lebt freischaffend tätig als Dichterin/Dramatikerin/Künstlerin in Halle, schreibt Lyrik, Prosa, Theaterstücke, Lieder für Kinder und Erwachsene, fertigt Überraschungstütengedichte, leitet Werkstätten und lacht, denn sie macht noch viel mehr. Zuletzt «So Viel. Wortkonfekt und Verskonfetti» (2017, Razamba).
Dieses Gedicht wurde von Nathalie Schmid kuratiert.

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Kommentar

«wegen dir» ist ein Gedicht, das ich sofort laut lesen will, meine Stimme hören will, wie sie mit den Worten Fahrt aufnimmt, schneller wird, lauter vielleicht, dann wieder leiser, etwas langsamer. Ich will den Text ausprobieren, ihn in seinem Tempo auf mich einwirken lassen, in seiner Verspieltheit, seinem Klang. Er übt einen Sog aus, der macht, dass ich ihm meine Stimme geben muss, ist also ein Text, der meinen Körper meint, der auf mich als Instrument abzielt, mich als Klang- und Resonanzkörper, dem ich mich physisch nicht entziehen kann. Und kehrt damit zur Urform des Gedichts zurück, zum Lied, Gebet, Kindervers, dem Ton eines Musikinstrumentes. Wird zum direkten Weg in den Körper, spürbar für alle, die es zulassen.

Mir fällt ein Zitat von Robert Frost ein, an das ich mich ungefähr so erinnere: Wörter allein übermitteln noch keine Bedeutung - es ist ihr Klang, der dies tut. Und das ist es, was in diesem Gedicht mit mir passiert, obwohl mich die Bedeutung der Wörter auch trifft. Dieses lyrische Ich, das irgendwo steht, an einem Strand, am Rand vielleicht und alles sein will für das Du, wegen dem es eben hier steht. Vielleicht würde es überall stehen, und dieses Alles könnte alles Mögliche sein, aber es braucht genau diesen Klang, damit er den Beat ergibt, der mit Reimen erzeugt wird, Schlaginstrument und Fundament für den entstehenden Rhythmus. Da ist die Art und Weise, wie Vokale aufeinanderfolgen, als würden sie sich ergänzen, nicht einfach wiederholen, die kurzen Zeilen, die die Geschwindigkeit herstellen, das knackige, kraftvolle, verdichtete Lesegefühl.

Juliane Blech ist eine Dichterin, die mit Worten jonglieren kann, als wäre es etwas Leichtes, sie in die Luft zu werfen, ein paar Mal im Kreis fliegen zu lassen, um sie wieder aufzufangen und landen zu lassen im Text. Sie versteht es, Leidenschaft und Begehren so darzustellen, dass sie für mich immer auch körperlich erfahrbar werden. Sie schreibt Liebesgedichte, die nicht nur von der Leidenschaft für ein du sprechen, sondern auch von der Liebe der Dichterin für die Worte und ihren Klang. So wie die Stimme dem Gedicht einen Körper gibt, wirkt das Gedicht auf den Körper. Ich weiss nicht, wie lange Juliane Blech braucht, um einen Text wie «wegen dir» zu schreiben. Es wirkt auf mich, als hätte sie ihn in ihrem Körper gehört und nur noch hinschreiben müssen. Aber aus eigener Erfahrung weiss ich, dass dieser Eindruck täuscht. Immer, wenn es leicht scheint, ist grosse Kunst am Wirken.

Nathalie Schmid

geb. 1974, lebt in Freienwil, CH. Studium am Deutschen Literatur Institut Leipzig, Arbeit als Autorin und Erwachsenenbildnerin. Veröffentlichung von drei Gedichtbänden. Zuletzt «Gletscherstück» (2019, Wolfbach). Im Februar 2023 erscheint der Roman «Lass es gut sein» (Geparden Verlag, Zürich).

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