für fm, wien,
10.09.2022,
28.01.2022,
26.10.2021

8. November 2022

«Ornithologie»

  • aus dem
  • gumpendorfhinterhof

  • poetischsprachkunst
  • may i kiss your klit
  • c. gewidmet
  • krähe türkentaube
  • kohlmeise turmfalke
  • stieglitz sperling
  • buntspecht zaunkönig
  • grünfink grasmücke
  • rotkehlchen
  • mauersegler
  • reiher enten möwen
  • stadttaube käuzchen
  • nachtigall amsel
  • & rotschwänzchen

«habe mich in die NATUR verknallt,
habe mich in die KUNST verknallt»

  • offenweisze lilienblüten
  • dein foto im kranichauffliegen
  • vulvablut gefrornes taut in bildern
  • exposed to each other
  • in you
  • in love with you
  • you precious kind creature
  • me precious kind creature
  • let’s fall in love

«ich schmeckte diese Erfüllung
von Sprache»

I

  • das lieben & leben des poetischseins
  • souvenance de anouar brahem
  • thank you for peace
  • tanzen wesen
  • tanzen wesen
  • oh we are alivecats
  • im schmiegen
  • fürs sein
  • thank you for all presence
  • danke lau & soulfriends
  • danke für frieden danke für
  • freudvollmiteinandertanzen
  • i love you kindcreatures
  • let’s dance the universe alive
  • let’s dance freedom
  • let’s dance souvenance

II

  • und ich weinte und weinte
  • dich friederike nicht mehr
  • «ich schmecke diese
  • Erfüllung von Sprache»
  • und ich weine
  • unsere kostbaren augenblicke
  • die poetischen umarmungen
  • miss you always
  • miss you always
  • with every poem i write

  • Alle Zitate entnommen aus Friederike Mayröcker: «da ich morgens und moosgrün. Ans Fenster trete.» (2020, Suhrkamp).
geb. 1973, Mistelbach/Zaya, lebt in Wien. Schriftstellerin, Tänzerin/Performerin und Malerin. Studium der Germanistik, Psychologie, Pädagogik und Philosophie in Wien und México. Tanzpädagogik am Konservatorium Wien und an der Post School in Berlin. Zuletzt «transmorphosen: augenblicksmonsterbutohbuch» (2020, bod).

Magazin für zeitgenössische Dichtung Magazin für zeitgenössische Dichtung Magazin für zeitgenössische Dichtung

Poesie als Geschenk

Friederike Mayröcker stirbt am 4. Juni 2021. Das erste der drei Gedichte von Marion Steinfellner entsteht gute vier Monate später, fürs zweite vergehen wieder vier Monate und schlussendlich weitere acht bis zum Dritten. Die Trauer über den Verlust der lieben Freundin verändert sich in diesen Zwischenzeiten unbeobachtet. Wir bekommen nur drei Ausschnitte mitgegeben, drei Versuche, der eigenen Poesie und der eigenen Trauer genauso gerecht zu werden, wie der Poesie von Friederike Mayröcker. Alle drei Gedichte fussen auf Lektüren von Mayröckers letztem Band «da ich morgens und moosgrün. Ans Fenster trete.». Angeführt von Zitaten aus dem Band vermengt Steinfellner Eindrücke, Erinnerungen, Sprachen, Farben, bis daraus keine Gedichte, sondern poetische Wesen mit unmittelbarer Kraft entstehen.

Natürlich, man könnte diesen Gedichten jetzt auf herkömmliche Weise begegnen, die Sprachbilder hervorheben, über die metaphorische Verbindung von «lilienblüten» und «vulvablut» sinnieren, aber es scheint mir ein müssiges Unterfangen. Das liegt daran, dass es mir bei der Lektüre dieser drei Gedichte nicht danach dürstet, sie auf ihre poetische Wirksamkeit zu untersuchen, sondern sie als das zu nehmen, als was ich sie empfinde: als poetische Einladungen, als poetische Geschenke. Marion Steinfellner nimmt uns mit, lässt uns teilhaben an ihrem Schmerz, ihrer Trauer, aber vor allem: an ihrer Liebe. Ich wüsste nicht, was ich mir mehr von einem Gedicht wünschen könnte. Nehmen Sie, liebe Leser:innen, also die in diesen Gedichten verpackte Einladung an, nehmen Sie sich Zeit für den Schmerz, die Trauer, die Liebe, all diese grossen Worte und Gefühle, die uns irgendwann zur Poesie verführt haben und an denen uns Marion Steinfellner mit ihren poetischen Wesen teilhaben lässt.

Genauso wie ich mich in diesem Kommentar geweigert habe über poetische Wirkweisen zu schreiben, scheint es mir falsch, diesen Kommentar mit eigenen Worten abzuschliessen. Stattdessen überlasse ich lieber Marion Steinfellner das Wort, mit einem Text, der mich unverhofft an einem regnerischen Oktobertag kurz vor Mitternacht per E-Mail (Betreff: «text») erreicht hat:

liebste friederike,

war moosgrün gewesen
tour retour
durch mich dich hindurch
durch dich hindurch
poetische wesen
in lovemoments
gefunden
anfangsgallopierendgeschenk
wort wörter
que estoy amor enamorada

fritzi ist leibhaftig tot
sie geht nicht mehr ans telefon
anrufung frühlng
die mauersegler sind da
erfreuend insprierend füreinander

du schreibst mich
ich schreib dich
schreib weiter sagst du
experimentier weiter
mutigsein ein freundliches wort
danke
für schreibglücksüberraschungen

Nick Lüthi

Schreibt und spricht über Bücher aus unabhängigen Verlagen für diverse Medien. Veröffentlichung von Gedichten in diversen Literaturzeitschriften.

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